Eine Begegnung von Bewohner/innen der Heilsarmee mit den Mitarbeitenden der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Denkanstösse, Deutsch, Projektalltag

Roger Kirchhofer, 01.09.21

Das Teilprojekt «Wirkungsmessung Wohnen» der Heilsarmee ist in vollem Gange und die Pre-Testphase im August/September 2021 soll weitere Erkenntnisse für die Entwicklung der Messung liefern. Doch was verstehen eigentlich die Direktbetroffenen, nämlich die Nutzer/innen der Wohnangebote unter Wirkung? Wo haben Sie bei den Angeboten bereits für sich selbst Wirkung erlebt und verändert die Wirkung etwas in ihrem Leben?

Diesen Fragen gingen Enrico Cavedon und Roger Kirchhofer von der Fachhochschule Nordwestschweiz zusammen mit zwei Gruppen von Nutzer/innen der Wohnangebote im Obstgarten und im Begleiteten Wohnen Bern nach. Die Personen wurde durch die beiden Institutionen angefragt, ob sie zu einer Gruppendiskussion bereit wären und die beiden Institutionen haben einen Gesprächsraum zur Verfügung gestellt.

Die beiden Gespräche dauerten etwas länger als geplant, nämlich ca. 90 Minuten, da alle sehr intensiv am Diskussionsprozess teilnahmen. Äusserst wichtig war für die Teilnehmenden der Umstand, dass sie durch die Diskussion eine Stimme und dadurch ein gewisses Gewicht im Entwicklungsprozess der Wirkungsmessung bekamen. Mehrmals erwähnt wurde, dass genau diese Partizipationsmöglichkeit eine wichtige Ressource der Wohnangebote der Heilsarmee ist, welche sie beispielsweise bei den Sozialdiensten der Gemeinde vermissen.

Neben den inhaltlichen Punkten, welche Eingang in die Entwicklung des Messinstrumentes fanden, scheint vor allem wichtig, dass jede Person für sich Wirkung sehr individuell definiert. Dies haben sehr viele Schilderungen mit kleineren und grösseren persönlichen Fortschritten gezeigt. Alle Teilnehmenden haben sehr gerne, differenziert und reflektiert über persönliche Erfolge und Herausforderungen, welche noch nicht gemeistert wurden, diskutiert:

  • «Ich habe mir Ziele betreffend Bewegung gesetzt. So ersetze ich den Bus durch Spazieren.»
  • «Ich schreibe jetzt pro Monat 15 bis 20 Briefe.»
  • «Dank der Beziehungen der Heilsarmee habe ich eine Zweizimmerwohnung erhalten. Mit meinen Schulden und Betreibungen habe ich alleine keine Chance eine Wohnung zu kriegen.»
  • «In dem Block, indem ich wohne, hat es noch andere Sozialwohnungen. Ich merke, wie mir die anderen, die ebenfalls in Sozialwohnungen wohnen, aus dem Weg gehen. Wir schämen uns untereinander, anstatt dass wir über gemeinsame Probleme reden und einander helfen oder voneinander lernen können.»
  • «Ich bin jung; ich brauche Kontakte mehr als einen Psychiater und Medikamente.»

Ursprünglich war für die Wirkungsmessung eine möglichst grosse Standardisierung und vor allem Anonymisierung geplant. Nun stellt sich jedoch die Frage, ob diese Anonymisierung überhaupt sinnvoll ist. Gerade die Diskussion darüber, wo Wirkung erzielt wird, wo Fortschritte getätigt wurden und wie diese in Zukunft fortgeführt werden können, scheint den Teilnehmenden der Diskussionsgruppen wichtig. In diesem Sinne kann eine standardisierte Erfassung von Wirkungen durch die Nutzer/innen Ausgangspunkt zu weiterführenden Diskussionen sein.

Die Perspektive der Nutzer/innen ist für Entwicklung der Messinstrumente sehr relevant. Wir sind gespannt auf die Rückmeldungen aus der Pre-Test- und Pilotphase.

Photo by Lisa Amann on Unsplash

Kommentare

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  1. Oberson Donat

    Welche Wirkung hat unsere ambulante Passantenhilfe in Basel? Wir versuchen nachhaltige Hilfe zu leisten. Beim Thema “Messen von Wirkung” denke ich an meine Ausbildung vor 20 Jahren. “Public new managment”, war das Modewort. Ich war immer sekptisch gegenüber einer Messbarkeit von Sozialer Arbeit, weil es einhergeht mit der Rechtfertigung für die Finanzierung. Wie kann Menschlichkeit, ein offenes Ohr haben, Empathie entgegenbringen, Seelsorge leisten, gemessen werden?

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